Phänomen Landmarke Fernsehturm
Der Stuttgarter Fernsehturm – weithin sichtbar auf seinem Hügel südlich der Stadt. Für viele Menschen ist der 217 Meter hohe Stahlbetonturm mit der weiß-roten Antenne ein Stück Heimat. Er ist unbestritten ein Wahrzeichen der schwäbischen Hauptstadt, von dem man heute Wimmelbücher, Flaschenöffner oder Magnete kaufen kann.
Doch wie weit die Bedeutung des 1956 eröffneten Turms tatsächlich reicht, ist eine eigene spannende Geschichte. Eine Geschichte, die nun erstmals professionell und umfassend aufgearbeitet wurde.
Das Gutachten
Denn in Baden-Württemberg ist man überzeugt: Das Bauwerk hat das Zeug zum Weltkulturerbe. Deshalb beauftragte das Landesamt für Denkmalpflege die Firmenhistoriker mit einem Gutachten, das die historische, technische und kulturelle Bedeutung des Fernsehturms wissenschaftlich einordnet.
Die Recherche führte die Firmenhistoriker in eine ganze Reihe von Archiven, darunter in das der SWR Media Services GmbH, wo sie insgesamt 26 Ordner mit Presseartikeln, Marketingmaterial, Geschäftsberichten, Protokollen und internen Berichten sichteten. Doch auch im SAAI in Karlsruhe und im Staatsarchiv Stuttgart wurden sie fündig. Briefe von Hörern und Dokumente aus dem Historischen Archiv des SWR ergänzten das Bild.
Aus all diesen Puzzleteilen entstand das Bild eines Bauwerks, das zu seiner Zeit nicht nur technisch innovativ war, sondern auch über Generationen hinweg identitätsstiftend wirkt. Und noch etwas wurde deutlich: Die Ausstrahlung des Stuttgarter Fernsehturms reicht weit über seine Fernseh- und Radiosignale hinaus, die er vom Hohen Bopser aus sendet.
Eine Erfolgsgeschichte
Der Stuttgarter Ingenieur Fritz Leonhardt begründete Ende der 1950er-Jahre mit seinem Turm samt Aussichtskorb und Restaurant eine neue Bau- und Wahrzeichentradition. Die Recherchen der Firmenhistoriker zeigen außerdem, dass sich der Bau in die Turmtraditionen des 18. und 19. Jahrhunderts einreiht.
Ursprünglich war lediglich ein schlichter Stahlgittermast geplant. Der neuartige Entwurf in Stahlbeton mit Plattform und Restaurant galt als gewagtes Experiment – und wurde mit 4,4 Millionen D-Mark rund zwanzigmal teurer als gedacht. Doch das Bauwerk entwickelte sich rasch zum Publikumsmagneten und zum „Urvater aller Fernsehtürme“. Für die Space Needle in Seattle, den Ostankino-Turm in Moskau, den Fernsehturm in Johannesburg und für viele weitere gilt der Stuttgarter Turm als Vorbild. Häufig war Fritz Leonhardt selbst beratend beteiligt.
Die Zusammenarbeit mit den Firmenhistorikern war immer ausnehmend freundlich und zielorientiert, die Ergebnisse vielschichtig, spannend und erkenntnisreich. Wir sind dankbar für die Fülle an tiefgehendem Archivmaterial, welches viele neue Perspektiven ermöglicht und uns in der weiteren Bearbeitung in wertvoller Weise begleiten wird.
Annika Ruf, Landesamt für Denkmalpflege
2023 kam der Turm auf die deutsche Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe. Ob er tatsächlich Welterbestatus erhält, ist offen. Seine einzigartige historische, kulturelle und technische Bedeutung ist jedoch dank des Gutachtens unumstritten.